Vor dieser Frage stehen viele Coaches oder solche, die es werden wollen. Soll ich mich breit aufstellen und dadurch einen größtmöglichen Kundenstamm ansprechen? Oder soll ich mich lieber spezialisieren und mir als Fachmann oder Fachfrau einen Namen machen? Gute Frage und gleich vorweg, ich kann es dir nicht sagen. Denn wie – leider – so oft im Leben gibt es auch hier keine richtige oder falsche Antwort.
„Nischen sind eng. Ich will mich nicht begrenzen.“
Diesen Satz höre ich häufig, wenn im Inner-Net-Coaching das Thema der beruflichen Ausrichtung aufkommt. Das Gefühl der Enge ist dann im Raum schier greifbar, ebenso das damit verbundene Unwohlsein. Genau hier werde ich neugierig. Denn rein rational ist gegen eine Spezialisierung ja nichts einzuwenden.
Was also ist es, was „eng“ macht?
Der richtige Zeitpunkt
Zu Beginn der Karriere steht einem gefühlt die Welt mit all ihren Möglichkeiten offen. Sich gleich zu Beginn diese Vielfalt zu nehmen und Ausschau nach einer Nische zu halten, ist ein bisschen wie Flügel stutzen. Und das kann keinen Sinn machen, dafür ist die Welt viel zu spannend. Sich selber auszuprobieren, herauszufinden, was noch alles geht und woran man Spaß hat, ist zu diesem Zeitpunkt wichtig und richtig.
Manche bleiben hier ewige Jäger und Sammler. Nur gesellt sich zu der anfänglichen Neugier und Offenheit mit der Zeit etwas Gehetztes. Die nächste Weiterbildung, das nächste Buch, die nächste Facette kommt bestimmt und so wissen viele viel und doch nichts Genaues. Denn:
10.000 Stunden
So lange braucht man, um wirklich ein Spezialist auf einem Gebiet zu sein. Das gilt nicht alleine für die Beherrschung eines Instruments oder einer Sportart, auch übertragen auf ein Fachgebiet stimmt diese Zahl.
Eine wichtige Frage, die nur jeder für sich selber beantworten kann: Bin ich bereit, diese keine Frage große Stundenzahl zu investieren? Oder bin ich eher der Typ für die notgedrungen immer eher an der Oberfläche bleibende Vielfalt?
Typsache oder Flucht?
Ab einem bestimmten Alter meiner Meinung nach letztes. (Mir ist sehr bewusst, dass ich dem ein oder anderen Generalisten unter euch damit jetzt auf die Füße trete. Ich hoffe, ihr verzeiht es mir und lest trotzdem weiter.)
Mit dem Älterwerden wächst in jedem Menschen die Sehnsucht, nach Beständigkeit, Zugehörigkeit und Tiefe. Die Seele möchte ankommen, zur Ruhe kommen. Ich rede jetzt nicht von der Beantragung der Rente. Vielmehr gibt es zwischen der Sturm-und-Drang-Phase und der Rente eine Phase (und die wird heute immer länger und geht teilweise weit über die Rente hinaus), in der man Dinge in die Tiefe bringen will. Man will nicht mehr dazu lernen, man will „Es“ lernen.
Was kommt der Konzentration in die Quere?
Was also ist es, das diesem von der Natur in uns angelegten Impuls in die Quere kommt? Was ist es, das uns den Bauchladen schleppen und sogar ausbauen lässt, während die Seele einen aufgeräumten Laden wünscht, der uns und unser Angebot wiederspiegelt?
Ich plaudere jetzt mal ein wenig auf dem Nähkästchen um zu verdeutlichen, warum Dauer-Vielfalt für mich Flucht ist. Ich selber habe meine Vielfalt lange gelebt. Es machte ja auch lange Sinn meine unterschiedlichen und vielfältigen Skills in der Breite zu kombinieren. Was ich dabei nur übersehen habe: ich wurde immer breiter – und damit immer unübersichtlicher.
Alleine mich mit dem Thema Nische zu beschäftigen kam der Frage gleich, welchen Finger ich mir zuerst abhacke. Die Frage war: Was machte mir diesen Stress?
Um es kurz zu machen, ein uralter Glaubenssatz war die Wurzel meiner Verrenkungen und Versuche, die Last des Bauchladens weiter zu tragen. Und seitdem mir dieser uralte Glaubenssatz bewusst ist, klärt sich mein Blick.
Die Zeit ist reif für die Nische
Seitdem dieser uralte Glaubenssatz mir nicht mehr die Sicht trübt, passiert erstaunliches. Meine Vielfalt bekommt eine neue Bedeutung und ich habe nicht mehr das Gefühl, mich einzuschränken oder mir gar Finger abzuhaken.
Ganz im Gegenteil: Um meine Klaviatur meisterlich zu spielen, brauche ich alle meine Finger. Jeder einzelne hatte und hat Anteil an meinen 10.000 Stunden und über die Vielfalt konnte ich meine Nische, die Trauma-Schule, finden. Und hier kann ich nun meine Einmaligkeit leben.
Du siehst: Es geht nicht um Nische vs. Vielfalt. Es geht vielmehr um die Frage: Was kommt nach der Vielfalt?
Bist du bereit für diese Frage?