Wie lange dauert Traumaheilung?

In mir reift seit einiger Zeit das dringende Bedürfnis, mit ein paar Irrtümern rund um das Thema Trauma und Traumatherapie aufzuräumen.

Daher nutze ich diese Folge, um genau das zu tun. Ein Irrtum, den ich häufig erlebe, hängt mit einer Frage zusammen, die mir besonders von Neuklient:innen oft gestellt wird: Wie lange dauert Traumaheilung? Die Antwort überrascht viele – und enttäuscht vielleicht auch ein wenig: Es kommt darauf an.

Warum es keine einfache Antwort gibt

Menschen, die erkannt haben, dass ihre Symptome auf traumatische Erfahrungen zurückgehen, haben oft großen Leidensdruck. Sie wollen wissen, worauf sie sich einlassen, welche Kosten und welche Zeit sie einplanen müssen und wann sie mit einer Besserung rechnen können. Diese Fragen sind verständlich und absolut berechtigt. Doch meine erste Antwort lautet immer: Es kommt darauf an. Genau hier liegt einer der größten Irrtümer.

Unterschied zwischen Schocktrauma und Bindungstrauma

Viele verbinden Trauma automatisch mit einmaligen, spektakulären Ereignissen wie Krieg, Vertreibung, Naturkatastrophen oder Missbrauch. Subtilere Formen von Bindungs- und Entwicklungstrauma, die unser Leben und unsere Persönlichkeit prägen, werden oft übersehen. Manche denken, Schocktrauma ließe sich schnell verarbeiten, während Bindungs- oder Entwicklungstrauma länger dauern. Doch so einfach ist es nicht. Es kommt darauf an, um welche Art von Ereignis es sich handelt, wie weitreichend es war und in welchem Zustand sich das Nervensystem der betroffenen Person befindet.

Ein Autounfall kann zum Beispiel für die eine Person ein kurzer Schreck sein, während er bei jemand anderem tiefgreifende Traumafolgen hinterlässt – je nachdem, wie stabil das Nervensystem ist, welche Erfahrungen vorher gemacht wurden und ob es schon andere Traumata gab. Entscheidend ist also nicht nur das Ereignis selbst, sondern auch die persönliche Vorgeschichte und Resilienz.

Warum körperorientierte Traumatherapie entscheidend ist

Ein weiterer Irrtum besteht darin zu glauben, man müsse für Heilung lange und schmerzhaft in der Vergangenheit wühlen. Neuroaffektive Traumatherapie arbeitet körperorientiert und nutzt eine Sprache, die alle drei Ebenen unseres „dreieinigen Gehirns“ einbezieht: Verstand, Emotionen und Empfindungen. So können unverarbeitete Überlebensimpulse wie Kampf, Flucht oder Erstarrung nachträglich vervollständigt werden. Besonders bei Schocktrauma kann dies, vor allem bei zeitnaher Begleitung, sehr effektiv sein.

Schocktrauma und Bindungstrauma treten oft gemeinsam auf

Meine Erfahrung zeigt jedoch: Schocktrauma kommt selten allein. Oft treten gleichzeitig Bindungs- und Entwicklungsthemen auf. Daher ist es wichtig, in der Therapie beides im Blick zu haben. Manche Klient:innen spüren schon nach wenigen Sitzungen deutliche Erleichterung und entscheiden, dass dies ausreicht. Andere entdecken auf ihrem Weg zur Heilung neue Kräfte und Möglichkeiten und möchten weitergehen – weil sie spüren, dass in ihnen viel mehr Lebendigkeit und Potenzial steckt.

Integration statt „wegmachen“ – ein neuer Blick auf Traumaheilung

Lawrence Heller, der Begründer des NARM-Modells, beschreibt Heilung als einen Prozess der Integration: Abgespaltene, verdrängte Anteile dürfen wieder an unseren inneren Tisch zurückkehren. Es geht nicht darum, Trauma wegzumachen, sondern darum, Ganzheit zu ermöglichen. Wenn wir diese Anteile integrieren, erfahren wir, wie viel Weisheit, Kraft und Überlebensfähigkeit in uns steckt. Heilung wird so zu einem Prozess der Potenzialentfaltung.

Die wichtige Frage: Wie lange darf Heilung dauern?

Darum ist die spannende Frage nicht: Wie lange dauert Traumaheilung? Sondern: Wie lange darf sie dauern? Wer traumatische Erfahrungen über Jahrzehnte mit sich getragen hat, darf sich Zeit geben, diese Last auf eine gute Weise loszulassen. Dieser Weg ist nicht linear, sondern individuell – und er kann zu einer tiefen Reise des Wachsens und Entdeckens werden.

Traumaheilung als Reise der persönlichen Entwicklung

Ich habe Klient:innen, die ich seit vielen Jahren begleite, die sich nur ein- bis zweimal im Jahr für wenige Sitzungen melden – weil sie wissen, dass sie damit immer wieder neue Schwellen überschreiten und leichter weitergehen können. Für sie ist Traumatherapie kein „Projekt“, sondern ein Teil ihrer persönlichen Entwicklung und Selbstentfaltung.

Traumaheilung kann so viel mehr sein als das Auflösen von Symptomen. Sie kann eine Reise zu unserem wahren Selbst sein – zu mehr Freiheit, Lebendigkeit und innerer Verbundenheit.

👉 Wenn du neugierig geworden bist und erfahren möchtest, wie neuroaffektive Traumatherapie für dich aussehen könnte, vereinbare gerne einen kostenfreien Kennenlerntermin. Vielleicht wird diese Reise auch für dich ein Schritt zu mehr Lebendigkeit, innerer Freiheit und Potenzialentfaltung.

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