Manche haben ihn immer zu Hand, bei anderen hängt er gut sichtbar in der Küche an der Wand. Für manche muss er auf Papier sein, während andere die technische Variante vorziehen. Einige organisieren damit nur sich, andere die ganze Familie oder ihren Chef. Ich spreche vom Terminkalender.
Aber keine Sorge, ich habe heute nicht den zig-sten Zeitmanagementtipp für dich. Denn ich bin mir ziemlich sicher, dass du da mehr kennst als ich. Ich würde viel lieber einen Blick in deinen Kalender werfen und mal schauen, wie viel unstrukturierte Zeit du pro Woche so für dich einplanst und wann.
Termine mit sich selbst
Einfach mal unstrukturierte Zeit zu haben, klingt verlockend. Vor allem dann, wenn der eigene Tagesablauf größtenteils fremdbestimmt wird. Aber unstrukturierte Zeit bekommt man nicht vom Universum geschenkt, die muss man sich aktiv nehmen. Nur tun das die wenigsten – und selbst wenn, sind diese „Termine mit sich selbst“ zumeist die ersten, die geopfert werden.
Äußere Gründe hierfür gibt es mehr als genügend, aber nur wenige davon rechtfertigen, dass wir uns selber hinten anstellen. Ein solcher wichtiger Grund ist z. B. die Erkrankung eines Familienmitglieds oder eines Freundes, keine Frage. Aber, und ich bin jetzt mal ein wenig provokativ: um bei der dauerunglücklichen Freundin mal wieder Händchen zu halten, muss man eigentlich den geplanten Dicke-Socken-Lese-Abend-bei-Tee-und Kaminfeuer nicht ausfallen lassen. Oder?
Unstrukturierte Zeit – ein wackeliges Konstrukt
Termine mit sich selber haben es in vielerlei Hinsicht in sich und betrachtet man sie mal aus mehreren Blickwinkeln, wird deutlich: hier geht es um deutlich mehr als eben nur den bereits erwähnten Dicke-Socken-Lese-Abend-bei-Tee-und Kaminfeuer.
- Unstrukturierte Zeit gibt es nicht. Selbst ein Urlaub von 6 Wochen hat „6 Wochen“ als beendendes Kriterium, also eine Struktur. 6 Wochen sind zwar deutlich großzügiger, als ein freier Sonntag. Mehr aber auch nicht.
- Unstrukturierte Zeit macht Stress. Klingt paradox, ist aber durchweg logisch. Denn wenn wir Zeit haben, bekommen wir von all den Gedanken die in unserem Kopf kreisen und den zumeist negativen Empfindungen, die diese Gedanken auslösen, deutlich mehr mit. Daher ist es für viele auch eine wahre Quälerei, wenn sie von jetzt auf gleich eine Stunde meditieren sollen.
- Ein Termin mit sich selber setzt eine Grenze. Denn ich sage damit „Ich bin mir jetzt wichtiger als Du“ und je nachdem wie gut man mit dem setzen und durchsetzen von Grenzen ist, kann dieses Ja zum Ich im Innen und Außen zu Turbulenzen führen.
- Autonomie vs. Zugehörigkeit. Kann ich gut mit mir alleine sein oder habe ich das Gefühl, da Draußen etwas zu verpassen? Hier spielt auch die Frage „Was denken die anderen von mir?“ mit rein. Schließlich ist ein prall voller Terminkalender für viele immer noch ein Zeichen für Erfolg. Und wenn man die Zeit für einen Termin mit sich selber hat, kann man ja nicht so wichtig sein.
- Der eigene Anspruch. „Darf“ ich einfach mal nichts tun? Darf ich den Berg Bügelwäsche übersehen oder das Unkraut oder die Staubschicht?
Wie du dir selber in die Quere kommst
Jeder braucht unstrukturierte Zeit, damit Geist und Körper die Chance haben, zur Ruhe zu kommen. Nur ist es mit einer Lücke im Kalender alleine nicht getan. Aber diese Lücke ist der optimale Ausgangspunkt um herauszufinden, wie man sich selber in die Quere kommt.
Mein Tipp
Mach gleich jetzt in der kommenden Woche einen Termin mit dir selber aus.
Wie lang dieser Termin sein sollte? Wie wäre es für den Anfang mit 30 Minuten? Und dann lass dich einfach mal überraschen wann die erste Terminkollision stattfindet, wie oft der Termin ins Wackeln gerät, bei wem du drohst schwach zu werden und warum, ob du den Termin mit dir selbst einhälst und wenn wie es dir in der Zeit dann geht.
Und da wir ja bekanntlich über Wiederholung am besten unsere Gewohnheiten verändern, wie wäre es mit einem wöchentlichen Termin mit dir selber? Einfach mal Löcher in die Luft gucken, den lieben Gott einen gute Mann sein lassen – und Ja zum Ich sagen.