Erinnere dich, wer du wirklich bist

Ein Satz, der berührt

Heute möchte ich mit dir über ein Thema sprechen, das mich tief bewegt: Trauma und Erinnerung. Der Impuls dazu kam mir an einem Morgen beim ersten Kaffee. In einem Monatsvideo von Silke Schäfer hörte ich den Satz: „Erinnere dich, wer du wirklich bist.“

Dieser Satz ist für mich kraftvoller als „Werde, wer du bist“. Denn erinnern können wir uns nur an etwas, das schon in uns angelegt ist. Vielleicht magst du selbst kurz innehalten und dich fragen: Was passiert in dir, wenn du diesen Satz hörst? Wer bin ich wirklich?

Erinnern setzt Vergessen voraus

Als ich die Worte hörte, spürte ich eine Art „wissende Traurigkeit“. Ein Gefühl, dass da etwas in Bewegung kommt – und zugleich gleich wieder verschwindet.

Und da wurde mir klar: Erinnern setzt Vergessen voraus. Irgendwo auf unserem Weg haben wir vergessen, wer wir wirklich sind. Dieses Vergessen beginnt nicht erst im Erwachsenenalter, sondern schon sehr früh in unserem Menschwerden.

Pures Potenzial und die ersten Spuren von Trauma

Ein Fötus ist pures Potenzial. Schon im Mutterleib beginnt die körperliche Erinnerung: Babys nehmen Klänge, Rhythmen und Stimmungen wahr. Sie passen sich an Freude, Stress oder Ernährung der Mutter an. Forschung zeigt, dass sich diese frühen Eindrücke tief im Körper verankern.

Doch dieses Potenzial bleibt in uns erhalten. Es ist wie ein innerer Ton, zu dem wir uns jederzeit zurückerinnern können. Mit der Geburt aber verlassen wir den paradiesischen Zustand und treten in eine Welt, die uns prägt – und manchmal verletzt. Hier entstehen die ersten Spuren von Trauma.

Kognitives vs. körperliches Erinnern

Viele Menschen glauben, sie könnten sich nicht an ihre frühe Kindheit erinnern. Doch das stimmt nicht. Wir erinnern uns – nur in unterschiedlicher Form.

  • Das kognitive Erinnern ist wie ein Fotoalbum: sprachlich, linear, durch heutige Sichtweisen gefiltert.
  • Das körperliche Erinnern hingegen ist vorsprachlich. Es lebt in Empfindungen, Spannungen, Düften, Atmosphären. Unser Körper speichert, was wir erlebt haben – ob Freude oder Schmerz.

Um uns wirklich zu erinnern, wer wir sind, reicht es nicht, im Kopf zurückzuschauen. Wir müssen den Raum des Körpers betreten, wo unsere Wahrheit gespeichert liegt.

Der gesunde, authentische Protest

Viele dieser Erinnerungen sind schmerzhaft. Wir erinnern uns an Scham, Tadel oder Momente, in denen unser Wille gebrochen wurde. Und doch liegt darin der Schlüssel.

Hinter dem Schmerz wartet unser gesunder, authentischer Protest – das ursprüngliche Nein, das wir vielleicht nicht ausdrücken durften. Heute aber können wir spüren: Ich darf Nein sagen. Ich darf Ja zu mir selbst sagen.

Dieses Erinnern ist ein Schritt in Richtung Heilung. Es führt uns zurück zu unserem wahren Selbst.

Trauma heilen heißt sich erinnern

Auf dem Weg der Erinnerung begegnen wir altem Schmerz. Doch in der neuroaffektiven Trauma-Arbeit geht es nicht darum, diesen Schmerz endlos zu wiederholen. Es geht darum, heute zu erkennen: Wir sind nicht mehr ausgeliefert. Wir können uns zeigen, wir können wählen, wir können wir selbst sein.

So wird das Erinnern zu einer Rückverbindung: zu unserem authentischen Nein, zu unserem Ja, zu unserem Potenzial. Und dann – wenn wir uns erinnern, wer wir wirklich sind – steht uns nichts mehr im Wege.

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