Das Ding mit der Unterstützung – zwischen Sehnsucht und Angst

Unterstützung ist für viele von uns ein zweischneidiges Schwert. Einerseits sehnen wir uns danach: nach Entlastung, nach einem Miteinander, nach dem Gefühl, es nicht alleine schaffen zu müssen. Andererseits spüren viele Menschen auch eine diffuse Angst, wenn es ums Unterstützung annehmen geht.

Diese Angst ist selten laut. Sie ist eher subtil, fast unmerklich – und doch wirkt sie. Zum Beispiel in dem Moment, wenn wir um etwas bitten wollen – und plötzlich in Gedanken hin- und herwälzen, ob das okay ist. Oder wenn wir uns schlecht fühlen, Hilfe überhaupt anzunehmen. Oder wenn wir anderen reflexhaft Hilfe anbieten, obwohl sie gar nicht darum gebeten haben.

Ich möchte in diesem Beitrag beleuchten, woher diese innere Ambivalenz kommt – und warum sie so tief in vielen von uns verankert ist.

Unterstützung = Erleichterung + Gefahr?

Eine stimmige Unterstützung berührt mehrere Bedürfnisse: nach Verbindung, nach Kooperation, nach Entlastung. Aber sie bringt auch alte Erinnerungen an die Oberfläche: Erinnerungen an Momente, in denen Hilfe nicht hilfreich, sondern übergriffig war. Oder in denen wir gelernt haben, dass man sich Unterstützung verdienen muss.

Diese alten Erfahrungen – oft unbewusst – beeinflussen unser heutiges Verhalten mehr, als uns lieb ist.

Fremde fragen fällt leicht – im nahen Umfeld wird’s schwierig

Vielen fällt es leicht, im Alltag eine fremde Person um Hilfe zu bitten: im Supermarkt nach dem Mehl zu fragen oder sich auf der Straße den Weg erklären zu lassen. Sobald es aber um Beziehungen mit Nähe geht – Familie, Freund:innen, Nachbar:innen – wird es plötzlich komplizierter.

Warum? Weil wir dort häufig eine unausgesprochene Erwartung spüren: Wer hilft, will auch etwas zurück. Und wer oft bittet, gerät in eine Art inneren Schuldenkreislauf.

Hier lohnt sich eine kurze Innenschau:

Wie geht es dir, wenn du dieselbe Person mehrfach um etwas bitten müsstest? Was läuft da innerlich ab?

Persönliches Beispiel: Warum wir jetzt einen Mähroboter haben

Ein kleines Beispiel aus meinem Leben: Seit wir häufiger unterwegs sind, wurde das Rasenmähen zum Thema. Mir fielen einige ein, die ich hätte bitten können. Aber ich wusste: Niemand hat wirklich Lust, regelmäßig bei uns den Rasen zu mähen. Also haben wir uns für einen Mähroboter entschieden. Nicht aus Bequemlichkeit, sondern aus Respekt vor der Lebenszeit der anderen – und um nicht in ein unausgesprochenes Schuldverhältnis zu geraten.

Für mich war das eine gute Lösung. Sie hilft mir, auch in anderen Momenten leichter um Unterstützung zu bitten – weil ich weiß, dass ich achtsam mit dem Thema umgehe.

Warum wir lieber googeln, statt zu fragen

Viele Menschen verbringen Stunden mit Internetrecherche, statt jemanden um Rat zu fragen. Oder sie organisieren große Umzüge ohne Hilfe, nur um niemanden zur Last zu fallen.

Dabei ist das Bedürfnis nach Verbindung zutiefst menschlich. Und trotzdem versuchen wir, alles allein zu schaffen. Warum?

Die Geschichte vom Hammer – und was sie mit Trauma zu tun hat

Paul Watzlawicks Geschichte vom Hammer bringt es auf den Punkt: Ein Mann will sich von seinem Nachbarn einen Hammer leihen. Doch je länger er darüber nachdenkt, desto mehr steigern sich seine Zweifel – bis er am Ende wutentbrannt klingelt und dem verdutzten Nachbarn entgegenbrüllt: „Behalten Sie doch Ihren blöden Hammer!“

Nicht der Nachbar ist das Problem – sondern die Projektionen des Mannes. Diese Geschichte zeigt, wie unser inneres Kopfkino echte Verbindung verhindern kann.

Aber woher kommen diese Projektionen?

Ein Blick ins NARM-Modell: Die Autonomiephase

Das NARM-Modell (Neuroaffektives Beziehungsmodell nach Dr. Lawrence Heller) beschreibt fünf entwicklungspsychologische Phasen – mit jeweils spezifischen Kernbedürfnissen. Für das Thema Unterstützung ist besonders die vierte Phase wichtig: die Autonomiephase (ca. 1,5–3 Jahre).

In dieser Zeit lernt das Kind, dass es Dinge selbst tun darf – aber auch Hilfe bekommen kann, wenn es sie braucht. Es lernt, dass es „Ich will!“ sagen darf, ohne dafür den Kontakt zur Bezugsperson zu verlieren.

Gelingt das, entstehen gesunde Selbstwirksamkeit und Beziehungsfähigkeit. Gelingt es nicht – z. B. weil Erwachsene zu schnell, zu viel oder zu ungeduldig helfen – verknüpft das Kind Hilfe mit Überforderung oder Ohnmacht.

Später zeigt sich das in Sätzen wie:
– „Ich muss es alleine schaffen.“
– „Ich darf nicht schwach sein.“
– „Bevor ich jemanden frage, mach ich’s lieber selbst.“

Hilfe, die hilft – oder stört?

Ein Kind, das gerade etwas ausprobiert, will oft erst einmal allein probieren. Wenn Erwachsene zu früh eingreifen – aus Ungeduld oder Angst vor Fehlern – stören sie den inneren Forschergeist des Kindes. Sie reißen es aus seiner Fährte.

Was dann bleibt, ist Verwirrung – und die Prägung: „Hilfe heißt, ich mach’s nicht richtig.“

Auf Dauer führt das zu Frustration, Ohnmacht oder sogar Scham.

Was du über Unterstützung gelernt hast

Ob wir Hilfe geben oder annehmen können, hängt stark davon ab, wie wir selbst in diesen frühen Jahren begleitet wurden. Das ist kein Vorwurf – sondern eine Einladung zur Selbstreflexion.

Denn wenn wir alte Muster erkennen, können wir neue Erfahrungen machen.

Und vielleicht – ganz langsam – neu lernen:
Hilfe darf sich sicher anfühlen.
Ich darf bitten.
Ich darf empfangen.
Und ich muss es nicht allein schaffen.

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