Töte nicht den Boten. (Sophokles)

Jede Unternehmenskultur hat ihre Schattenseiten. Selbst die wert-vollste, sinn-vollste und wert-schätzenste Kultur ist vor diesem Prinzip der Polarität nicht gefeit. Wo Licht ist, ist nun einmal auch Schatten.

Nur: Viel Licht produziert nicht immer deutlich sichtbare Schatten. Und so können Schatten lange im Verborgenen bleiben. Besonders dann, wenn es ja überwiegend gut läuft, die Stimmung gut ist und die Zahlen stimmen. Dann werden solche Schatten gerne als Luxusprobleme bezeichnet und das Thema verschoben. So schlimm ist es ja nicht.

Hinzu kommt, dass Schatten einen Haken haben: niemand mag sie. Sie sind unangenehm, meist diffus, unbequem, lassen einen in keinem guten Licht erscheinen und werden häufig gleichgesetzt mit Schwäche und Versagen.

Wenn die Schatten länger werden

Nur haben selbst die unscheinbarsten Schatten das Potential lang und länger zu werden. Und zwar passiert das meistens dann, wenn z. B. eine Krise, Umstrukturierungen oder Wachstum das System herausfordern.

Leider gibt es dann eine Art Reflex, als allererstes nach einem Schuldigen zu suchen. Und wer wäre für die Rolle besser geeignet als der/die im System, wo sich der unliebsame Schatten am deutlichsten zeigt?

Töte(t) nicht den Boten

Er/sie macht nur etwas sichtbar. Und egal ob man jemandem kündigt, ihn/sie abmahnt, versetzt oder rausmobbt: der Schatten wird nicht mit ihm/ihr verschwinden. Und es war und ist nicht alleine der Schatten der Person. Es ist immer auch ein Schatten des Unternehmens. Sonst könnte „es“ nicht passieren.

Es ist wie in einer Beziehung, wenn einer fremd geht: damit so etwas passieren kann, muss es vorher gekriselt haben. Moralische Entrüstung dient allein dem/der sich Entrüstenden und vernebelt seinen/ihren Anteil an der Dynamik. Die spannende Frage lautet vielmehr:

Was will gesehen werden? Was macht der Bote sichtbar?

Denn vielleicht ist es eine Lücke im Prozess, die bisher nur kompensiert wurde … oder die Unternehmenskultur erlaubt z. B. Konsequenz nicht … oder es fehlen Ressourcen … oder der Umgang mit Konflikten braucht dringend ein Upgrade … oder … oder … oder …

Gründe kann es viele geben. Wenn man aber nur den Boten in den Fokus nimmt, übersieht man das größere Bild. Und damit die Möglichkeit für Wachstum. Individuell und kollektiv.

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