Wenn Schlafstörungen etwas sind, dann nervig und quälend. Und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Denn der Schlafstörungsgepeinigte geht ja schon ungerne ins Bett, weiß er doch, was ihm oder ihr in den kommenden Stunden blüht. Rumgewälze, Gedankenkarussell und das Gefühl, die Minuten haben nachts 80 anstelle von 60 Sekunden.
Gute Ideen und Tipps gibt es wie Sand am Meer, es wird Herde um Herde an Schäfchen gezählt, tief geatmet, warme Milch getrunken und als letzter Strohhalm zu Tabletten gegriffen. Mit mäßigem bis keinem Erfolg. Und so sind nicht nur die Nächte zermürbend, auch die anschließenden Tage erinnern an einen Spaziergang durch zähen Morast.
Ich erhebe nicht den Anspruch des Rätsels Lösung gefunden zu haben. Denn es gibt nie nur eine Ursache. Und ich habe auch keine Instantlösung für dich. Ich lade dich heute vielmehr ein, mit mir einen Ausflug in dein Gehirn zu machen. Dass ein Gehirn seinen Besitzer des Nächtens auf Trab hält, hat nämlich Gründe. Und an denen kann man was verändern.
Nur geht das – sorry für das Wortspiel – nicht über Nacht. Aber ich habe schon einige Klienten auf ihrem Weg zu erholsamen Schlaf begleitet und sie alle haben zu einem normalen, erholsamen Schlaf zurückgefunden.
Was passiert nachts in Gehirn und Körper?
Am besten kann man das am Bild eines Flugzeugs im Landeanflug bei schlechtem Wetter beschreiben. Über den Wolken ist die Freiheit grenzenlos, die Sonne scheint und die Luft ist klar. Der Autopilot läuft und alles ist soweit ruhig und unter Kontrolle. Für die Landung muss das Flugzeug durch eine dichte Wolkendecke mit schlechtem Wetter. Sobald das Flugzeug hier eintaucht, wird es turbulent. Und kurz über der Landebahn wird es dann erst recht ungemütlich. Der Pilot muss durchstarten, eine Landung wäre viel zu gefährlich.
Übertragen auf einen Menschen mit Schlafstörungen heißt das:
Solange man tagsüber (= über den Wolken) im Gewusel und den Routinen des Alltags steckt (= Autopilot) ist alles gut.
Geht es dann abends auf die Bettlandung zu und das System fährt ein wenig die Leistung runter (Einschlafphase), haben all die sonst verdrängten und unterdrückten Gedanken (= Wolkendecke) leichtes Spiel (was genau da passiert, dazu gleich mehr). Hier kann es zum ersten Mal turbulent werden.
Sind wir dann trotzdem endlich eingeschlafen (= unterhalb der Wolkendecke) ist es in uns noch nicht ganz ruhig, denn in dieser Schlafphase schlafen wir zwar mit entspannten Muskeln und nahezu ohne Augenbewegungen, aber das System ist noch nicht tiefenentspannt. Erst in der Tiefschlafphase (= Landung) würden wir uns körperlich erholen. Wären da nicht kurz vor der Landung erneut Turbulenzen, die dem Gehirn signalisieren „Hier wird’s gefährlich! WACH WERDEN!“ (= Durchstarten). Auch dazu gleich mehr.
Und schon ist es zum einen vorbei mit der körperlichen Erholung und auch die zur Verarbeitung des Tages so wichtige REM-Phase (rapid eye movement – schnelle Augenbewegungen) oder Traumphase bleibt dadurch aus. Das Ergebnis sind dunkle Augenringe, üble Laune, Gereiztheit, verringerte Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit, Libidoverlust, Magen-Darm-Probleme und noch so einiges mehr.
Der Ablauf der Schlafphasen …
… wiederholt sich bei gesunden Menschen mit gutem Schlaf mehrfach pro Nacht. Ein vollständiger Zyklus dauert etwa anderthalb Stunden – plus oder minus 10 Minuten. Am Anfang der Nacht dominiert der Tiefschlaf, gegen Ende der Schlafenszeit verweilen wir vermehrt in den REM-Phasen und bereiten uns aufs Aufwachen vor.
Die Schlüsselwörter sind hier „gesund“ und „vollständiger Zyklus“. Das Gehirn von gestressten und traumatisierten Menschen schließt diesen Zyklus nie vollständig ab. Das hat es verlernt. Im Inner-Net-Coaching geht es darum, den natürlichen Zyklus wieder sanft und nachhaltig zu vervollständigen. So findet der Körper wieder zurück zu erholsamen Schlaf, guter Laune und Energie für den Tag.
Warum macht unser Körper das?
Rein logisch schadet sich der Körper mit Schlafstörungen selber. Und so erleben viele Menschen mit Schlafstörungen ihren Körper als Feind. Einen Feind, den es mit bewusst gesteuerten Gegenmaßnahmen zu besiegen gilt.
Nur funktioniert unser Gehirn so nicht und daher „gewinnt“ der Feind Nacht für Nacht. Die Folge: Der (Leidens-)Druck steigt, die Wolkendecke wird dicker und die Turbulenzen spürbar mehr.
Schlafstörungen sind ein Teufelskreis, den viele irgendwann mit dem Griff zur Schlaftablette zu durchbrechen versuchen. Nur geht der Schuss meistens nach hinten los, denn die Nebenwirkungen und die Gefahr der Abhängigkeit werden vielfach unterschätzt. Aber egal, Hauptsache endlich mal wieder durchschlafen.
Ein Blick in die Funktionsweise des menschlichen Gehirns erklärt die Logik von Schlafstörungen. Denn auch wenn es für Menschen mit Schlafstörungen nur schwer nachvollziehbar ist: Das Gehirn hat einen guten Grund uns zu wecken.
Wenn Nacht der Säbelzahntiger knurrt
Auf der Flucht und in Zeiten der Jagd ist Tiefschlaf lebensgefährlich. Und für unser Gehirn sind wir ständig auf der Flucht oder Jagd. Die tägliche Reizüberflutung, der tägliche Stress, der kurze Blick ins Handy kurz vor dem Einschlafen, das Erreichen des Fliegers auf den letzten Drücker und der Allzeit-bereit-Modus signalisieren unserem Gehirn: Gefahr! Überall! Sei wachsam! Entspannung wäre zu gefährlich. Denn Tiefschlaf würde bedeutet: wir schlafen so tief, dass wir nur schwer zurück ins Bewusstsein finden.
Unser Gehirn hat durch unser modernes Leben und Arbeiten das Gefühl von Sicherheit verloren. Und tut daher das biologisch einzig logische: Nur der Wachsame überlebt, alle anderen holt sich der Säbelzahntiger.
Warum helfen bei Schlafstörungen dann Entspannungsübungen nur bedingt?
Jede Form von Entspannungsübungen stehen bei den Schlafstörungs-Ratschlägen ganz oben auf der Liste. Und helfen doch nur bedingt. Denn Fluchtimpulse und Entspannung passen nun einmal nicht zusammen.
Die sogenannten Bottom-up-Methoden, also Maßnahmen, die über den Körper den Geist beruhigen sollen, adressieren des Pudels Kern nicht: der Körper ist nicht ruhig, wie soll er dann den Geist beruhigen?
Ein Körper im Überlebensmodus der sich nirgends sicher fühlt, feuert ohne Pause Botenstoffe und die versetzen den Körper in Daueranspannung. Diesem Gefühl der Anspannung versucht unser Gehirn einen Sinn zu geben und sucht nach Gründen und Lösungen (= die Wolkendecke). Und so kreisen die Gedanken, nur kann kein Gedanke den innerlichen Stress absenken.
Top-down-Methoden, also Maßnahmen, die den Fokus auf diese Gedanken richten und meist über Verhaltensänderungen die Richtung der Gedanken ändern wollen, adressieren des Pudels Kern ebenfalls nicht: Der Kopf kann dem Körper nicht sagen „Entspann dich!“ oder „Schlaf endlich!“ Jeder, der das versucht hat, weiß das.
Schlafstörungen gehirngerecht und nachhaltig lösen
Was also tun? Den Anfang kannst du mit einer kleinen Übung in Form einer wiederholenden Frage machen für die du ein Gegenüber und 30 Minuten Zeit brauchst.
Wähle, wer von euch beiden anfängt.
Eine:r (A) hat dann die Aufgabe, 10 Minuten lang folgende Frage zu wiederholen:
„Was ist gut daran, sich nicht völlig zu entspannen?“
Der/die andere (B) antwortet, (A) sagt „Danke“ (ganz wichtig!) und wiederholt die Frage usw. bis die 10 Minuten rum sind. Mehr muss (A) nicht tun, also keine Kommentare, Nachfrage etc.
Dann tauschen (A) und (B) für 10 Minuten die Rollen.
Die verbleibenden 10 Minuten dienen dem Austausch:
- Was habe ich emotional und körperlich erlebt? Beim Zuhören und beim Sprechen?
- Welche Gedanken, Wertungen und Einsichten habe ich während der Übung gehabt?
Die Frage mag dir beim Lesen paradox erscheinen und das ist sie und soll sie auch sein. Denn die Zauberformel bei Schlafstörungen heißt: Von Unten nach Oben UND von Oben nach Unten. Und so integriert die Frage Gedanken genauso wie Emotionen und Empfindungen.
Mein Tipp: Lass dich auf das kleine Experiment einfach einmal ein und werte es nicht im Vorfeld. Ich verspreche dir: du wirst überrascht sein, was diese komische Frage bewirkt.
Noch ein Tipp
Lass mindestens 1 Stunde vor dem Schlafengehen die Finger von Handy, Tablet oder Laptop und auch Kindle & Co sind fürs Gehirn um diese Uhrzeit nicht gut. Diese Geräte aktivieren dein Gehirn und machen dich wach, nicht müde. Das gute, alte Buch aus Papier ist immer noch das beste was du deinem Gehirn zum Einschlafen gönnen solltest.